Viva la Mamma!

Hat der Ober mich gerade angezzzt??? Nicht allein, dass der Name “La Mama” schnöder Etikettenschwindel ist, denn hier schwingt Opa (und nur Opa!) das Zepter. Aber diese hektische Version von Louis de Funés sorgt hier in der ansonsten pittoresken Altstadt von Nizza weder bei den Gästen noch beim Personal für freundliche Gesichter.

Die Gnocchi sind trotz ihrer falschen Schreibweise erstaunlich lecker. Das scheint Opa auch zu meinen, denn mit einem beherzten “Gnocchi great, yes?” nimmt er mir gleichermaßen schwungvoll wie ungehobelt den nur halb aufgegessenen Teller unter der Nase weg. Ein polyglotter Poet ist er ganz sicher nicht. Und es kommt ja noch eine Hauptspeise, des Hungers wegen. Und ich habe ja noch das Brotkörbchen und den Pfeffer zur Überbrückung..

Nein, das Brotkörbchen habe ich jetzt auch nicht mehr. Etwas verwundert bin ich aber doch, dass er sein Brot nicht beim Abräumen gelobt hat. Man will doch etwas Konversation zwischen Vor- und Hauptspeise! Die kaugummikauende Kellnerin im ausgebeulten Pullunder huscht wortlos mit hilflosem Achselzucken an mir vorbei, die Augen Richtung Himmel gerichtet. Ich wollte zwar rustikale Atmosphäre, hatte mir dies aber irgendwie gänzlich anders vorgestellt.

Die Hauptspeise kommt. Also das Essen und der Teller kommen. Das Besteck vorerst nicht. Es kommt vermutlich gleich. So aufmerksam sollte der Service doch sein. Oder doch nicht? Es dauert dann doch schon etwas lange und meine Miesmuscheln dampfen mit jedem Augenblick des Wartens ein wenig weniger.

Ich raffe mein Schulfranzösisch zusammen: “Sche wuhräh…” “Yes, yes, very good!”, kontert mir Opa noch vor Ende meines Satzes. Auf Besteck darf ich wohl nicht hoffen. Gut, die Muscheln kann ich auch so essen und für die Sauce bleibt mir ja noch das Brotkörbchen. Ach nein, das habe ich ja nicht mehr. Die Pullunderträgerin schlurft vorbei und stellt im Vorbeigehen meinen Pfefferstreuer auf den Nebentisch. Ich kapituliere und esse die Miesmuscheln hastig mit den Fingern, immer in der Erwartung, dass mir in jedem Moment der halbvolle Teller weggenommen würde.

Was seltsamerweise nicht passiert. Denn plötzlich herrscht Stille. Nicht so sehr rustikale Stille sondern eher Totenstille. Sogar das Dudelradio ist aus. Das ist immerhin eine Offenbarung nach der Hektik der ersten beiden Gänge. Ich blicke vorsichtig hinter mich: Es ist schon späterer Mittag und Opa muss wohl dringend sein Mittagsschläfchen halten. Und sämtliches Personal hat dies zum Anlass genommen, eine ausgiebige Rauchpause vor dem Etablissement einzulegen. Andere Gäste sind auch nicht mehr da. Ich bin allein.

Beherzt geht ich zum Tresen, nehme mir das mir zustehende Besteck, einen Pfefferstreuer und ein Brotkörbchen – ach was… zwei Brotkörbchen – und beende in aller Ruhe meine Mahlzeit. Auch nach mehr als einer halben Stunde lässt sich kein Kellner mehr blicken. Ich gehe zurück zum Tresen, nehme die Karte, rechne die einzelnen Beträge zusammen, lege die Summe centgenau auf den Tisch und verlasse “Mama”. Ich werde nicht wiederkommen.

Restaurant Pizzeria “La Mama”. Altstadt von Nizza. Nicht zu empfehlen.
Satire lebt von Zuspitzungen und Übertreibungen. Nicht alle Details sollten daher für bare Münze genommen werden.